© Hans Braxmeier/ Pixabay

Die Fiedler in den Blumenwiesen

Ein lang andauerndes, hohes Zirpen in der Wiese verrät sie. Die Feldgrille ist die musikalische Botin für den selten gewordenen Lebensraum sonniger, naturnaher Blumenwiesen.  

Auf Blumenwiesen, die sich über längere Zeit entfalten dürfen und nicht zu oft gemäht werden, tummelt sich das Insektenleben. Im früheren Sommer trägt das laute und hohe «tri tri tri tri» der Feldgrillen zum Konzert der summenden und zirpenden Insekten bei. Es sind die Männchen der Feldgrillen, die vor oder in ihrem kleinen Erdloch ­sitzend mit angehobenen Deckflügeln scheinbar unermüdlich stridulieren. 

Am gedrungenen, walzenförmigen Körper, der glänzend schwarz gefärbt ist, sind die zwei bis zweieinhalb Zentimeter langen Feldgrillen leicht zu erkennen. Ihr Kopf ist auffallend gross und rundlich. Die Flügel schimmern oberseits an der Basis goldgelb, was den Fiedlern ein attraktives Aussehen verleiht. Die Weibchen sind ebenso apart gefärbt. Sie unterscheiden sich von den Männchen am deutlichsten durch ihre stabförmige, am Ende leicht verbreiterte Legeröhre. Während sich bei den Männchen nur die beiden langen Hinterleibsanhänge der Grillen zeigen, haben die Weibchen mit der Legeröhre einen dritten hinteren Fortsatz. 

Den Lärm machen die Flügel

Das «Instrument» der Grillenmännchen sind die kurzen Vorderflügel. Diese sind stark zurückgebildet, sodass sie damit nicht mehr fliegen können. Doch weisen ihre Flügel auf der Unterseite eine Schrillleiste auf, eine Reihe von rund 140  feinen Zähnchen. Diese wird wie ein Kamm über die glatte, verstärkte Schrillkante am Rand des anderen Flügels gestrichen. Als «Verstärker» des Klanges dienen zwei membranartige Flügelfelder, während der Eingang zur Wohnröhre wie ein zusätzlicher Schalltrichter wirkt. Bis hundert Meter weit ist so das Zirpen des Männchens zu hören. Die Weibchen bleiben stumm, bewegen sich aber zielsicher auf einen Musikanten zu, wenn sie paarungsbereit sind und ihnen die Darbietung zusagt. 

Die Ankommende wird aus der Nähe mit einem zarten, leisen Werbegesang bezirzt. Weit weniger lieblich, sondern schrill und abgehackt klingt dagegen der Rivalengesang, mit dem der Sänger auf einen männlichen Eindringling reagiert. Lässt sich dieser durch die Drohung nicht abhalten, kann es zu einem heftigen Kampf kommen. 

Ein feines Gehör erlaubt es den Grillen wie anderen stridulierenden Heuschrecken, die Laute ihrer Artgenossen wahrzunehmen und zu orten. Dabei haben Feldgrillen im Vergleich zu manchen ­Grillenarten der tropischen Regenwälder geradezu einen Breitbandempfang. Sie brauchen deutlich weniger störende «Nebengeräusche» herauszufiltern als die tropischen Arten, die sich im Durcheinander von mannigfaltigen weiteren Tierlauten verständigen müssen. Die Ohren der Grillen sitzen dabei nicht am Kopf, sondern an den Vorderbeinen, etwas unterhalb des Knies. Aus diesem Grund machen die Insekten oftmals seltsame Körperverrenkungen und drehen sich von einer Seite auf die andere, wenn sie ein Geräusch zu lokalisieren versuchen. 

Grillen haben ausserdem einen ausgeprägten Erschütterungssinn in den Beinen, der ihnen jede feinste Erschüt­terung des Bodens meldet. So ist es keineswegs einfach, sich an eine zirpende Grille anzupirschen. Die scheuen Tiere merken es meist schnell, wenn sich etwas Grosses nähert. Sie verstummen sofort und verziehen sich in ihre Erdlöcher, wenn sie sich bedroht wähnen. 

Wärmebedürftige Insekten

Da sie für ihre Aktivitäten auf eine gewisse Umgebungswärme angewiesen sind, hört man Grillen am intensivsten bei warmen Temperaturen singen. Die Feldgrillen stridulieren fast den ganzen Tag und bis spät in die Nacht hinein. In den kühlen Nachtstunden singen sie in langsamerer Folge. Vor allem die nordamerikanische Thermometergrille ist bekannt dafür, dass ihr Gesang stark von der Umgebungstemperatur abhängt. Wie es heisst, kann man anhand der Zirplaute, welche diese Grille pro Zeit von sich gibt, annähernd genau die Temperatur bestimmen. 

Thermometergrille
Thermometergrille © gemeinfrei

Die Thermometergrille zählt wie das einheimische Weinhähnchen zu den sogenannten Blütengrillen, die sich mit ihrem meist hellen, zierlich gebauten Körper von anderen Grillen unterscheiden. Sie leben nicht in Verstecken am Boden, wie es für Grillen typisch ist, sondern auf Pflanzen. Das Weinhähnchen kommt in wärmeren Gebieten der Schweiz vor und bewohnt stark besonnte Magerwiesen, Ruderalflächen oder Weinberge. Mehr als 250 Meter weit soll das laute, melodisch-glasklare «grü grü grü» dieser kleinen Grillen zu hören sein. Sie sind jedoch nachtaktiv und singen meist erst ab Einbruch der Dämmerung. 

Alle Grillen zählen verwandtschaftlich zu den Heuschrecken, genauer zu den Langfühlerschrecken. Wie die Laubheuschrecken haben sie lange, schnurartige Fühler und relativ lange, noch einigermassen zum Springen geeignete Hinterbeine. Dabei sind die Grillen mit lediglich acht Arten in der Schweiz vertreten, während über hundert weitere Heuschreckenarten hierzulande vorkommen. Als im Allgemeinen wärmebedürftige Tiere sind Grillen in wärmeren Gebieten artenreicher vertreten. 

Manche einheimischen Grillen werden kaum je zufällig gesehen, sei dies weil sie scheu und heimlich leben oder nur selten und auf spezielle Lebensräume beschränkt vorkommen. Die Maulwurfs­grille, auch als Werre bekannt, ist heute leider sehr selten geworden. Es ist zu befürchten, dass ihre Bestände weiter abnehmen. Mit ihren zu Grabschaufeln umgebildeten Vorderbeinen und dem bulligen Körperbau ist diese grosse, ein wenig unheimlich wirkende Grille unverkennbar. Im Siedlungsraum wurde ihr die Befürchtung zum Verhängnis, dass sie von Pflanzenwurzeln lebe, sodass sie immer noch häufig bekämpft wird. In Wahrheit frisst das unterirdisch lebende Tier vor allem tierische Nahrung. 

Als Kulturfolger und Einwanderer aus südlichen Gefilden hatte sich auch das Heimchen einst in der Schweiz breitgemacht. Diese Hausgrille kommt in Mitteleuropa praktisch nur in Gebäuden vor, da sie milde Winterbedingungen braucht. In der Erzählung «Das Heimchen am Herde» von Charles Dickens ist ihre einstige Bedeutung als Glücksbringer verewigt. Heute ist das Heimchen weniger als Hausgast, der hinter dem warmen Herd zirpt, sondern vor allem als leicht züchtbares Futterinsekt für Terrarientiere bekannt. 

Botschafter für Blumenwiesen

Das Zirpen der Feldgrille ist nicht jedes Jahr häufig zu hören, denn die Bestände unserer bekanntesten Grille schwanken relativ stark. Im Ganzen gilt sie in der Schweiz als nicht gefährdet, obwohl ihr Lebensraum zunehmend unter Druck gerät und sie einen bedeutenden Rückgang erlitten hat. Die bunten und artenreichen trockenen Wiesen verschwinden durch die Intensivierung der Landwirtschaft. Zudem werden gerade die sonnigen Lagen vom Menschen als Wohnstandort geschätzt und häufig überbaut. In höheren Berggebieten droht dort, wo die Bewirtschaftung aufgegeben wird, die Verbuschung der Wiesen. Die Feldgrille steht also auch dafür, den artenreichen Blumenwiesen wieder mehr Beachtung zu schenken.     

Grillen und Heuschrecken der Schweiz im Internet: www.orthoptera.ch

Sie besitzen noch kein Abonnement der Zeitlupe?

Abonnieren Sie die Zeitlupe und lesen Sie alle unsere Artikel auch online.

Ich möchte die Zeitlupe abonnieren
Beitrag vom 04.06.2020
Das könnte sie auch interessieren

Tiere

Haben Tiere ein Recht auf Leben?

Anders als etwa in Deutschland oder Österreich, wo für die Tötung von Tieren ein vernünftiger Grund vorliegen muss, gewährt das Schweizer Recht Tieren tatsächlich keinen ausdrücklichen und generellen Anspruch auf Leben.

Tiere

Gefiederte Ameisenjäger

Viele Spechte leben im Wald, doch der Grünspecht zeigt sich recht häufig in Obstgärten und Siedlungsgebieten. Er bevorzugt halboffene Wiesenlandschaften mit Baumbestand und sucht vor allem am Boden nach Nahrung.

Tiere

Gewaltfreie Hundeerziehung

Das Gesetz verpflichtet Hundehaltende, Ihre Vierbeiner so zu erziehen, dass sie diese jederzeit unter Kontrolle haben  und andere Menschen oder Tiere nicht belästigen können. Dabei sind  die Hunde unter Beachtung der tierschutzrechtlichen Grundsätze zu erziehen.

Tiere

Ein Lebenskünstler vor der Haustür

Füchse leben nicht allein in Wald und Flur, sondern längst auch in Siedlungsgebieten. Sie sind geschickte Mäusejäger, können aber als anpassungsfähige Kleinraubtiere ganz unterschiedliche Nahrungsquellen nutzen