Alte Liebe, neu entfacht Post von ...

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte, Gedichte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Heute: Die berührende Liebesgeschichte von Vivianne Hablützel.

Den herrlichen Sommer-Nachmittag hätte ich auch mit Schönerem verbringen können, als zu Hause in Zeitlupe-Artikeln zu schmökern. Die zwei Lovestorys, die unter dem Titel «Spät vereint ist doppelt schön» veröffentlicht wurden, haben mich ermutigt, Ihnen auch mein spätes Liebesglück mitzuteilen.

____________________

Meine Witwenzeit, der die sieben Jahre dauernde Pflege meines Mannes vorausging, dauerte bereits fünf lange Jahre, in der ich die Leere, die er hinterliess, mit sehr vielen Unternehmungen mit Freundinnen, Langzeitaufenthalten in Spanien oder anderen Reisen auszufüllen wusste. Nicht im Entferntesten dachte ich daran, mich nochmals in einen Mann verlieben zu können. An Gelegenheiten fehlte es mir zwar nicht, da mich meine Familien im In- und Ausland überallhin zu schönen Anlässen mit Musik sowie Unterhaltungen aller Arten mitnahm. Ja, ganz eigentlich kostete ich ein privilegiertes, verwöhntes Leben aus. Zufrieden war ich auch, immer noch froh und selbstständig in jeglicher Hinsicht am Leben teilnehmen zu können.

Mitten in dieser vermeintlich totalen Zufriedenheit, begab es sich, dass sich ein männlicher Zuzüger in unser fast klösterliches Alters- und Familienhaus einnistete. Durch Zufall kreuzten sich unsere beiden Autos an der Garagen-Zutrittsschranke, die beiden Blicke reichten aus, um bei beiden Schmetterlinge auszulösen. Wir wechselten in der Folge einige wenige scheue Worte im Lift, wo ich dem gut aussehenden, flotten 86-jährigen Witwer mitteilte, dass ich für längere Zeit nach Spanien verreisen werde. Wenige Wochen später erreichte mich ein E-Mail des besagten Mannes, der mir eine allgemeine Mitteilung zusendete. Diese banale Sache war der Anfang einer langen, fast täglichen Brieffreundschaft, welche von beiden Seiten sehnlichst erwartet, aber nicht eingestanden wurde.

Ein Aufenthalt in der Schweiz brachte uns – endlich – und rein zufällig physisch etwas näher. Eine Einladung bei mir zu einem eleganten kleinen Dinner mit Kerzenlicht, während welchem wir uns sechs Stunden lang aufs Angeregteste unterhielten, liess uns ohne die geringste Annäherung wieder auseinandergehen. Nach meiner neuerlichen Abreise ins Ausland setzten wir kurz darauf unsere täglichen Briefe fort, merkten allerdings bald, dass sich in dessen Inhalt einiges geändert hatte.

Vivianne Hablützel durfte im Alter noch einmal innig lieben.

Während ich innerlich bereits recht brannte, musste sich mein Angebeteter einer überaus schwierigen Operation unterziehen, ohne dass er mein Feuer wahrgenommen hätte. Ich entschloss mich zu einer neuerlichen Reise in die Heimat, um meinen Rekonvaleszenten in Schinznach überraschend zu besuchen. Dieser ruhige, intellektuelle Mann, der sich niemals mehr fähig glaubte, Gefühle für eine Frau aufzubringen, sank sozusagen in Null Komma nichts plötzlich willenlos in meine Arme … und … Unser beider Wahnsinns-Liebesglück – mit 86 und 80 Jahren – begann.

Während eines ganzen Jahres, genau 350 Tage lang, kosteten wir das Leben in vollen Zügen aus. Mit kleineren Reisen und unseren begeisterten Familien. Seinen 87. Geburtstag feierten wir im Familienkreis im spanischen Garten. Die diesem freudigen Tag folgende Katastrophe  erforderte den Transport in die Intensivstation im Spital, von wo aus er per Rettungsflugzeug in die Schweiz zurückgeflogen wurde. Dieser Mann, der beteuerte, seine grösste Lebensliebe in diesem hohen Alter in mir gefunden zu haben, hauchte nach kurzer Zeit im Spital sein nochmaliges Glück in meinen Armen aus. Nun bleibe ich, nach nur einem knappen Jahr des übervollen Glücks, alleine und mit brennendem Herzen zurück.

Die Zeit der Hoffnung auf eine nochmalige schöne freundschaftliche männliche Begegnung ist vorbei!

Liebe Leserinnen, liebe Leser

In der Rubrik «Post von …» veröffentlicht die Zeitlupe Inhalte, die ihr von den Leserinnen und Lesern zugesandt wurden. Es handelt sich folglich nicht um redaktionelle Inhalte, die Redaktion übernimmt deshalb auch keine Verantwortung für den Inhalt oder die Richtigkeit der Zuschriften. Sämtliche Texte müssen mit vollständigem Namen und der Adresse versehen sein. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften zu kürzen, sie leicht zu redigieren oder sie nicht zu veröffentlichen. Sie führt darüber keine Korrespondenz. Danke für Ihr Verständnis.

Weitere Zuschriften unserer Leserinnen und Leser finden Sie hier.

Beitrag vom 01.10.2020
Das könnte sie auch interessieren

Post von...

Es hat nichts mit Dummheit zu tun...

Regelmässig erreichen uns Zuschriften unserer Leserschaft. Heute: Eine unangenehme Erfahrung mit Trickbetrügern.

Post von...

Darf ich Sie zum Tanz bitten?

Regelmässig erreichen uns Texte unserer Leserschaft. Heute erzählt Heinz Ruch, wie ein Zufall sein Liebesglück rettete.

Post von...

Klassengschpänli Jg. 1941 gesucht

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Heute: Oskar Schulthess sucht Mitschüler:innen der ersten Klasse in Wynau BE anno 1948.

Post von...

Kampf gegen die Armut im 19. Jahrhundert

Regelmässig erreichen uns Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Heute: Ein Loblied auf den Gemeinnützigen Verein Wattenwil BE.