© Bernard van Dierendonck

«In der Wand sind alle gleich»

Sportklettern fördert die Muskelkraft, Beweglichkeit und Koordination: und ist gemäss Experten ideal für ältere Menschen. Mediziner Urs Wiget (70) ist von den Vorteilen begeistert – und setzt sich dafür ein, dass diese besser bekannt werden.

Urs Wiget © zVg

Herr Wiget, Sie sind überzeugter Alpinist, waren stellvertretender Oberarzt bei der Rega, bildeten 30 Jahre Schweizer Bergführer aus – und raten älteren Menschen dringlich zum Klettern. Weshalb?

Um es auf den Punkt zu bringen: Klettern ist die beste Sportdisziplin fürs Alter. Selbst 75-Jährige können damit beginnen. Sie belasten damit ihre Gelenke weit weniger als etwa beim Velofahren oder Laufen, darüber hinaus trainieren sie ihren Oberkörper, was besonders wichtig ist. Studien zeigen, dass selbst 90-Jährige ihre Muskelkraft trainieren können. Sie werden dadurch zwar nicht zu Bodybuildern, die Übertragung vonImpulsen in den Muskelfasern wird aber messbar verbessert. Was die Kraft und damit das Gleichgewicht stärkt.

Was bringt das?

Rückenschmerzen werden behoben, die Menschen werden stabiler – was das Sturzrisiko mindert. Das ist ein grossesProblem im Alter: Viele fahren Velo, schwimmen oder wandern und lassen die Rumpfmuskulatur, den Oberkörper ausser Acht. Entsprechende Kraftübungen wären das Wichtigste im Alter, aber kaum jemand macht sie. Bekommen die Menschen Knie-und Hüftschmerzen hören sie auf damit: dann beginnt die Abwärtsspirale zudrehen. Klettern ist eine gute Möglichkeit, dagegen zu halten. Es stärkt die Muskeln spielerisch und immer anders – eine andere Eigenheit dieses Sports.

Werden die Gelenke beim Klettern nicht übermässig belastet?

Im Gegenteil. Gelenke sind anfällig auf Druck. Klettern aber ist auf Zug aus und wirkt dadurch sogar therapeutisch, etwa bei Arthrose. Ausserdem wird die wirkende Kraft auf mehrere Punkte verteilt, auf Hände und Füsse gleichzeitig. Das wirkt schonend.

Wie wirkt der Sport sonst noch?

Klettern ist Yoga für die Psyche: Der Sport ist kreativ, man muss sich immer wieder neue Lösungen einfallen lassen, um nach oben zu kommen, was also auch das Gehirn gehörig anregt. Man macht etwas mit andern – muss sich gegenseitig vertrauen. Zudem wirkt der Sport kompetitiv: Ich will etwas erreichen, etwas überwinden. Und Klettern ist der einzige Sport, in dem Alte von Jungen nicht schrägt angeguckt werden. In derWand sind alle gleich – allein das tut gut.

Wie steht es mit der Sicherheit?

Klettern ist weit sicherer als Velofahren, ja sogar als Wandern. Alles passiert kontrolliert, gut abgesichert.

Was empfehlen Sie Interessierten?

Sie sollten einen Einsteigerkurs besuchen, um die richtigen und wichtigen Regeln und Griffe zu erlernen. Das können alle – selbst ohne Grundfitness, dann dauert es einfach etwas länger. Ein strukturierter Einstieg ist für alle möglich.

Weshalb sind die Vorteile derart wenigen bekannt?

Weil sie keiner bekannt macht. Man müsste entsprechende Kurse besser propagieren – und diese müssten billiger werden. Auch wenn sie bloss um die 300 Franken kosten, für viele ist das viel zu teuer.

Diverse Schweizer Kletterzentren führen Seniorenkurse für Menschen über 55 durch, unter anderem auch das Gaswerk Schlieren, wo im Herbst neue Kurse starten: Preis für fünf Lektionen (je 2,5 Stunden, rund 300 Franken). Eine Schnupperkletter-Stunde kostet dort 59 Franken. Jahresabonnemente in Kletterzentren kosten zwischen 630 und 1090 Franken, die erforderliche Basisausrüstung (Klettergurt, Schuhe, etc.) rund 300 Franken. Kontakt: www.kletterzentrum.com; Tel. 044 755 44 31.

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Beitrag vom 30.07.2019
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