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Corona: Wer zahlt für die annullierte Reise?

Eine Reise wurde verschoben oder ganz abgesagt; ein Flug fällt aus: Juristin Cécile Thomi, Stiftung für Konsumentenschutz, befasst sich zurzeit fast ausschliesslich mit Rechtsfragen, die in Zusammenhang mit Corona stehen. Was uns in folgenden Fallbeispielen zusteht – und was nicht.

Ich habe eine Reise gebucht, die abgesagt wurde. Habe ich Anspruch auf Rückerstattung?
Haben Sie die Reise bei einem Reisebüro gebucht, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Pauschalreise (hier sind Reise und Unterkunft in einem Paket enthalten). Somit kommt das Pauschalreisegesetz zur Anwendung. Der Anbieter ist folglich verpflichtet, Ihnen ein alternatives Reiseprogramm anzubieten, falls möglich. Entspricht diese weitgehend der ursprünglich gebuchten Reise, müssen Sie diese Alternative akzeptieren. Die aktuelle Corona-Situation hat aber in den allermeisten Fällen wesentliche Vertragsänderungen zur Folge. Eine wesentliche Änderung liegt beispielsweise vor, wenn Ihnen anstelle der ursprünglich gebuchten Weinreise nach Frankreich eine Reise nach Nordschweden angeboten oder die Reise um mehr als drei Monate verschoben wird. Hier können Sie wählen, ob Sie diese Änderung annehmen wollen oder die Rückerstattung aller bereits getätigten Zahlungen zurückfordern möchten. 

Was, wenn in der Feriendestination der Corona-Notstand herrscht?
Die vorgängig beschriebenen Rechte, basierend auf dem Pauschalreisegesetz, stehen Ihnen unserer Ansicht nach unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zu, wenn Sie freiwillig auf den Antritt einer Reise verzichten: etwa dann, wenn der Flug zum Ferienort zwar durchgeführt wird, Sie aber nach Ankunft am Zielort zuerst zwei Wochen in Quarantäne müssen. Oder wenn am Ferienort die gesamte touristische Infrastruktur geschlossen ist. In beiden Fällen kann Ihnen nicht wirklich zugemutet werden, die Reise anzutreten.  Das könnte sich aber leicht ändern: Denn es bestehen aktuell politische Bestrebungen, die Reisebranche zu entlasten. Diese würden die Kundenrechte empfindlich einschränken. Noch sind keine definitiven Beschlüsse bekannt.

Ich habe eine Reise vor dem Lockdown des Bundesrates abgesagt, weil ich mich vor Corona fürchtete. Der Veranstalter sagt nun, ich hätte keinen Anspruch auf Rückerstattung des Geldes. Stimmt das? Eine Reiseversicherung habe ich nicht.
Wer einzig aus Vorsicht oder Angst eine Reise umbucht oder storniert, hat keinen generellen Anspruch auf kostenlosen Rücktritt vom Vertrag. In diesem Fall ist die Kulanz des verantwortlichen Reise- und Transportunternehmens entscheidend. 

Ich hatte für April bei Swiss einen Flug gebucht und am Zielort ein Auto reserviert – ich konnte die Reise aber nicht antreten, weil der Flug storniert wurde. Muss ich mir das Geld nun ans Bein streichen?
Passagiere haben bei der Stornierung eines Fluges (gemäss europäischer Fluggastrechte-Verordnung) immer ein Recht auf Ticketrückerstattung oder auf eine alternative Beförderung. Sie sind folglich nicht verpflichtet, Gutscheine zu akzeptieren. Auf EU-Ebene sind jedoch Diskussionen im Gange, die Airlines bei coronabedingten Rückerstattungen zu entlasten – auch dies würde die Ansprüche der Passagiere einschränken. Stellt sich die für Ihren Flug verantwortliche Airline quer, wenden Sie sich an das Bundesamt für Zivilluftfahrt – am einfachsten per Email unter passengerrights@bazl.admin.ch. Auf der Internetseite des BAZL  finden Sie zudem viele weitere nützliche Informationen zum Thema.

Was ist mit der Autovermietung?
Die Reservation für das Mietauto ist Teil einer Reise, die ein Gesamtes hätte bilden sollen. Fällt dieses Gesamte auseinander, weil Sie schon gar nicht zum Zielort gelangen, sollte es selbstverständlich sein, dass sich der Autovermieter in dieser ausserordentlichen Krisenzeit kulant zeigt – auch wenn seine AGB etwas anderes sagen. Wenden Sie sich schriftlich an den Autovermieter und schildern Sie ihm Ihre Situation, und verlangen Sie die Rückvergütung des bezahlten Betrags.

Ich wollte im Frühsommer nach Italien reisen. Kann ich diese canceln, ohne dass mir Unkosten oder Gebühren entstehen? Oder soll ich damit zuwarten, bis der Bund allenfalls seine Restriktionen bis in den Sommer verlängert? 
Ist für Sie bereits jetzt klar, dass Sie die Reise nicht antreten wollen: Dann tätigen Sie die Absage so früh wie möglich, unabhängig von der aktuellen Ausnahmesituation. Denn je früher Sie handeln, umso weniger Annullations- und Stornierungskosten werden Ihnen in Rechnung gestellt. 

Wie steht es mit längerfristigen Reisen?
Liegt ein Reisetermin in weiter Ferne, gilt: Die Möglichkeit wächst, dass eine Reise tatsächlich durchgeführt werden kann – wenn vielleicht auch nicht voll umfänglich in der ursprünglich geplanten Form. So ist es beispielsweise gut vorstellbar, dass im Spätsommer eine gebuchte Veloreise durch Frankreich oder eine Flussreise in Deutschland stattfindet – vorausgesetzt natürlich, die Grenzen sind passierbar. Mit einer Absage solcher langfristig geplanten Reise sollten Sie daher wenn immer möglich zuwarten. Denn durch eine Absage können Ihnen nicht nur Rückvergütungs- und andere Kundenrechte verloren gehen, womöglich fallen dadurch zusätzliche Stornierungs- und andere Gebühren weg. Auch Reiseversicherungen verweigern im Normalfall ihre Leistung, sagt die/der Versicherte eine Reise ohne dringende Gründe ab.

Woran muss ich mit Blick auf Corona sonst noch denken? 
Wird ein Anlass abgesagt, dann haben Sie grundsätzlich Anspruch auf volle Rückerstattung der Kosten, – egal ob ein Konzert, ein Sportevent oder Sprachaufenthalt. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass Anbieter ihren Kundinnen und Kunden bei Rückerstattung der Kosten eine Gebühr berechnen. Viele Anbieter sehen solche Gebühren bereits in ihren AGBs vor. Lassen Sie sich davon jedoch nicht beirren: Sie haben einen Rechtsanspruch auf volle Kostenrückerstattung. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Coronakrise auch Anbietern erheblichen, nicht vorhergesehenen Aufwand bereitet. Für diese zusätzlichen Aufwände sollten sie einen moderaten, verhältnismässigen Betrag in Rechnungen stellen dürfen. In komplexeren Situationen – ein Anbieter muss im Rahmen der Rückabwicklungen mit verschiedenen Vertragspartnern operieren – kann dieser Betrag allenfalls leicht höher ausfallen. Gebühren, die aber prozentual zum ursprünglich bezahlten Betrag berechnet werden, sind unverhältnismässig und ungerechtfertigt. Tipp: Prüfen Sie, ob Sie eine Annullationsversicherung abgeschlossen haben, die derartige Kosten übernimmt. Insbesondere bei Laufveranstaltungen ist das nicht ausgeschlossen.

Ich hatte für Anfang Juni in der Türkei eine Schiffsreise gebucht und diese wegen der Pandemie-Situation vor Kurzem abgesagt. Nun will mir der türkische Reiseveranstalter das Geld nicht zurückerstatten. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass er die Reise vor Ort wie vorgesehen durchführen kann. Dass ich gar nicht einreisen kann, lässt er als Argument nicht gelten. Wie soll ich mich verhalten?

Bleiben Sie unbedingt dran – und fordern Sie das Geld auf jeden Fall zurück. Sollte es sich um einen grösseren Betrag handeln, lohnt es sich allenfalls, sogar einen Rechtsanwalt beizuziehen, der sich in internationalen Rechtsfragen auskennt. Wenden Sie sich auch an Ihre Rechtsschutzversicherung, falls Sie eine solche besitzen. Denn: Sowohl nach Schweizer wie auch nach Europäischem Recht sollte hier eine klare Rückerstattungspflicht des türkischen Reiseveranstalters vorliegen. Schliesslich ist es Ihnen unmöglich, die Reise anzutreten und zwar aus Gründen, die Sie nicht verschuldet haben (Einreisesperre Türkei). Und selbst wenn Sie in die Türkei einreisen könnten, könnte die Schiffsreise sehr wahrscheinlich nicht so durchgeführt werden wie geplant, auf Grund der coronabedingten Einschränkungen sowohl an Bord als auch an den Orten, an welchen das Schiff Zwischenstopps eingelegt hätte.

Rechtsfragen zu Abos oder Tickets, die aufgrund der Pandemie nichtig wurden, beantwortet die Juristin hier.

Beitrag vom 10.05.2020
Cécile Thomi

ist Juristin und seit fünf Jahre Leiterin Recht der Stiftung für Konsumentenschutz. Sie befasst sich zur Zeit fast ausschliesslich mit Fragen, in denen die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten coronabedingt eingeschränkt werden. Oder via Mail:  c.thomi@konsumentenschutz.ch

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